Digitales Lernhaus „Jüdisches Leben“
Digitales Lernhaus „Jüdisches Leben“ – Konzeption
(English version can be found below)
1. Kurzbeschreibung
Mit dem Digitalen Lernhaus „Jüdisches Leben“ entsteht zusammen mit Studierenden und in interdisziplinärer Kooperation (Fachdidaktik Evangelische Religion, Evangelische Theologie, Fachdidaktik Geschichte, Schulpädagogik) ein nachhaltiges Lernangebot, das – ergänzend zu sonst üblichen Akzentuierungen auf die Leidensgeschichte von Juden und Jüdinnen – den Schwerpunkt auf die Erschließung von jüdischem Leben in seinem kulturellen Wert und seiner vielfältigen Lebendigkeit in Deutschland in Geschichte und Gegenwart legt. Hierdurch soll auch ein wichtiger Beitrag zur Antisemitismus-Prävention geleistet werden.
Unter dem Dach eines „Hauses“ (einer Art Begegnungszentrum) entstehen begehbare virtuelle Lernräume, die neue Formen forschenden Lernens für Schülerinnen und Schüler, Studierende oder interessierte Einzelpersonen ermöglichen. Dabei kann es auch digitale Formen des Unterrichtens (asynchron und synchron) unterstützen.
2. Beschreibung der Ausgangslage
Ausgangsprobleme liegen sowohl im Inhaltlichen wie auch im Methodischen: Jüdisches Leben oder Antisemitismus sind in der schulischen und universitären Lehre dauerhaft unterrepräsentiert.
Unter Lehrkräften und Schüler:innen gibt es nur geringe Kenntnisse zur jüdischen Geschichte und Kultur sowie zum gegenwärtigen jüdischen Leben in Deutschland (Salzborn & Kurth, Antisemitismus in der Schule, 2019). Zudem sind gerade Schulen ein Brennpunkt antisemitischer Äußerungen (Bernstein, Antisemitismus an Schulen in Deutschland, 2020, Unabhängiger Expertenkreis Antisemitismus, 2017). Generell befindet sich der Antisemitismus in Deutschland wieder im Aufwind. Antisemitische Gewalttaten nehmen zu (FES, Verlorene Mitte, 2020). Die Echokammern des Netzes und öffentliche Äußerungen von rechtsgerichteten Parteien dienen als ideologische Verstärker. Die Ursachen sind vielfältig. Eine davon dürfte aber darin liegen, dass sich für viele Menschen ihr „Wissen“ über das Judentum aus den Medien und online wie offline kursierenden tiefsitzenden Vorurteilen und Ressentiments speist, während nur wenige Menschen persönliche Begegnungen mit Jüdinnen und Juden haben. Dies liegt auch daran, dass es nur eine relativ kleine jüdische Bevölkerungsminderheit in Deutschland gibt (die Schätzungen reichen von 150.000–250.000 Personen). Hinzu kommen stereotype, teilweise von jahrhundertealten antijüdischen Bildern geprägte Einstellungen.
Die mediale Präsenz des Judentums in Deutschland ist zudem weithin von der – wichtigen und auch weiterhin notwendigen – Auseinandersetzung mit der Shoah und der antijüdisch geprägten europäischen Geschichte dominiert. Demgegenüber kommt die Wahrnehmung der wertvollen kulturellen Beiträge des Judentums in Geschichte und Gegenwart sowie der vielgestaltigen Lebendigkeit des aktuell in Deutschland gelebten Judentums viel zu kurz (www.kmk-zentralratderjuden.de/gemeinsame-erklaerung).
Das „Digitale Lernhaus ‚Jüdisches Leben‘“ will vielfältige digitale Möglichkeiten dazu nutzen, um
a) die genannten kulturellen Beiträge und Grundinformationen zum religiösen Judentum zu präsentieren
b) aktuelles jüdisches Leben in Deutschland erfahrungsbezogen zu erschließen, und
c) Antisemitismus in seinen verschiedenen Formen zu identifizieren und zu bekämpfen.
3. Beschreibung der Projektidee
Ein Kerngedanke des Projekts im universitären Bereich ist die digitale Unterstützung vorhandener Lehrangebote aus verschiedenen Studienbereichen in säulenübergreifender Kooperation (Fachdidaktiken, Fachwissenschaften, Pädagogik, Schulpädagogik) und Ergänzung. Die Kooperation mit außeruniversitären und vor allem auch jüdischen Partner:innen unter Einbezug eines wachsenden digitalen Materials über jüdisches Leben soll zudem die Vielfalt jüdischer Selbstverständnisse zur Sprache bringen. Eine Stärkung der Forschungsorientierung der Lehre wird durch forschendes Lernen (Basten/Mertens/Schöning/Wolf, Forschendes Lernen in der Lehrer/innenbildung, 2020; Pirner/Rothgangel, Empirisch forschen in der Religionspädagogik. Ein Studienbuch für Studierende und Lehrkräfte, 2018; Bolland, Forschendes und biographisches Lernen in der Lehrerausbildung, 2011) mithilfe digitaler Formate (Kergel/Heidkamp, Forschendes Lernen mit digitalen Medien, 2015) erreicht.
Beispielhaft wäre hier die Einrichtung eines digitalen Archivs zu nennen, in dem Studierende bisher unerfasste landjüdische Archivbestände zur Medina Oschfah (ehemaliges Rabbinat Schnaittach) aufbereiten (Verzeichnung, Transkription, Katalogisierung, Erschließung, unterrichtliche Anwendung); gleichzeitig können die Materialien als Fundus für weitere historische und/oder schulische Arbeit dienen (Switalski, Schalom Melanchton, 2016).
Im Bereich der Religionsdidaktik soll eine Präsentation religiöser jüdischer Artefakte (Haußmann, Lernen mit religiösen Artefakten, 2008) vielfältige Möglichkeiten interreligiösen Lernens eröffnen (ethnographische Erforschung der religiösen Hintergründe und Verwendungszusammenhänge). Gleichzeitig können mithilfe digitaler Formate Interaktionsmöglichkeiten eröffnet werden, welche die vorhandenen „Gegenstände“ zum Ausgangspunkt für interreligiöse Dialoge zwischen unterschiedlichen Zielgruppen nehmen.
Verschiedene Erscheinungsweisen von Antisemitismus werden in einer Rotunde durch Bilder repräsentiert, die durch Impulse erschlossen werden. Durch die Eingangsbilder hindurch „betritt“ man den jeweiligen Raum, um den Themenkomplex dieser einen Erscheinungsform von Antisemitismus weiter zu durchdringen und nach einem bestimmten Muster zu erschließen (Erscheinungsformen erkunden – Überblick gewinnen – Genauer hinschauen – Besser verstehen – Auswege finden.
Neben dem Bereich der universitären Lehre (aber auch der Erwachsenenbildung) ist auch der Bereich Schule (Primarstufe und Sekundarstufe) im Blickfeld, so dass das Digitale Lernhaus „Jüdisches Leben“ sozusagen auf drei Ebenen angelegt ist: Kinder – Jugendliche – Erwachsene.
Schüler:innen können sich frei in den virtuellen Räumen (gezeichnet von Britta Wagner im Grafic-Novel-Stil) bewegen und dabei selbständig mit den angebotenen Materialien (Innenperspekive – Außenperspektive) agieren.
Poster Digitales-Lernhaus-Jüdisches Leben
Flyer Digitales-Lernhaus-Jüdisches Leben
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Das Projekt „Digitales Lernhaus ‚Jüdisches Leben'“ entsteht in Kooperation mit dem BCJ.Bayern e.V. und dem Gesellschaftswissenschaftlichen Institut für Zukunftsfragen München (GIM). Es wird maßgeblich gefördert von der Evangelischen Kirche in Bayern und ebenso von dem Universitätsbund der FAU, dem Bayerischen Lehrerinnen- und Lehrerverband (BLLV) und RUPRE.
Digital Learning House „Jewish Life“ – Concept
Brief description
With the digital learning centre „Jewish Life“, a sustainable learning offer is being created together with students and in interdisciplinary cooperation (didactics of Protestant religion, Protestant theology, didactics of history, school pedagogy), which – in addition to the usual emphasis on the history of suffering of Jews – focuses on the development of Jewish life in its cultural value and its diverse liveliness in Germany in the past and present. This is also intended to make an important contribution to the prevention of anti-Semitism.
Description of the initial situation
The initial problems lie both in terms of content and methodology: Jewish life and anti-Semitism are consistently underrepresented in school and university teaching.
Teachers and pupils have little knowledge of Jewish history and culture or of contemporary Jewish life in Germany (Salzborn & Kurth, Antisemitismus in der Schule, 2019). Furthermore, schools in particular are a focal point for anti-Semitic statements (Bernstein, Antisemitismus an Schulen in Deutschland, 2020, Unabhängiger Expertenkreis Anti-Semitism, 2017). In general, anti-Semitism is on the rise again in Germany. Antisemitic acts of violence are on the rise (FES, Verlorene Mitte, 2020). The echo chambers of the internet and public statements by right-wing parties serve as ideological amplifiers. The causes are manifold. However, one of them is likely to be that for many people, their „knowledge“ about Judaism is fuelled by the media and deep-seated prejudices and resentments circulating online and offline, while only a few people have personal encounters with Jews. This is also due to the fact that there is only a relatively small Jewish minority in Germany (estimates range from 150,000 to 250,000 people). Added to this are stereotypical attitudes, some of which are characterised by centuries-old anti-Jewish images.
The media presence of Judaism in Germany is also largely dominated by the – important and still necessary – discussion of the Shoah and anti-Jewish European history. In contrast, the perception of the valuable cultural contributions of Judaism in the past and present as well as the diverse vitality of Judaism currently lived in Germany is given far too little attention (www.kmk-zentralratderjuden.de/gemeinsame-erklaerung).
The „Digital Learning Centre ‚Jewish Life'“ aims to use a variety of digital possibilities to
a) present the aforementioned cultural contributions and basic information on religious Judaism
b) to explore current Jewish life in Germany from an experiential perspective, and
c) to identify and combat anti-Semitism in its various forms.
Description of the project idea
A core idea of the project in the university sector is the digital support of existing courses from various fields of study in cross-pillar cooperation (specialised didactics, subject sciences, pedagogy, school pedagogy) and supplementation. The cooperation with non-university and, above all, Jewish partners, including a growing amount of digital material on Jewish life, is also intended to highlight the diversity of Jewish self-understandings. The research orientation of teaching will be strengthened through research-based learning (Basten/Mertens/Schöning/Wolf, Forschendes Lernen in der Lehrer/innenbildung, 2020; Pirner/Rothgangel, Empirisch forschen in der Religionspädagogik. Ein Studienbuch für Studierende und Lehrkräfte, 2018; Bolland, Forschendes und biographisches Lernen in der Lehrerausbildung, 2011) with the help of digital formats (Kergel/Heidkamp, Forschendes Lernen mit digitalen Medien, 2015).
One example of this is the establishment of a digital archive in which students process previously unrecorded rural Jewish archive holdings relating to the Medina Oschfah (former rabbinate of Schnaittach) (cataloguing, transcription, cataloguing, indexing, educational use); at the same time, the materials can serve as a resource for further historical and/or educational work (Switalski, Schalom Melanchton, 2016).
In the field of religious didactics, a presentation of religious Jewish artefacts (Haußmann, Lernen mit religiösen Artefakten, 2008) should open up a wide range of opportunities for interreligious learning (ethnographic research into religious backgrounds and contexts of use). At the same time, digital formats can be used to open up opportunities for interaction that take the existing „objects“ as a starting point for interreligious dialogues between different target groups.
Various manifestations of anti-Semitism are represented in a rotunda by images that can be explored using stimuli. You ‘enter’ the respective room through the opening images in order to further penetrate the complex of topics of this one manifestation of anti-Semitism and to develop it according to a certain pattern (explore manifestations – gain an overview – take a closer look – understand better – find ways out).
In addition to the area of university teaching (but also adult education), the focus is also on the school sector (primary and secondary level), so that the digital learning centre „Jewish Life“ is designed on three levels, so to speak: children – young people – adults.
Pupils can move freely in the virtual rooms (drawn by Britta Wagner in graphic novel style) and work independently with the materials provided (inside perspective – outside perspective).
Poster Digitales-Lernhaus-Jüdisches Leben
Flyer Digitales-Lernhaus-Jüdisches Leben
The ‘Digitales Lernhaus “Jüdisches Leben”’ project is being developed in cooperation with BCJ.Bayern e.V. and the Gesellschaftswissenschaftliches Institut für Zukunftsfragen München (GIM). It is significantly supported by the Protestant Church in Bavaria and also by the FAU-Universitätsbund, the Bayerischer Lehrerinnen- und Lehrerverband (BLLV) and RUPRE.